Bei Phoenix / Tacheles diskutierten Heinrich Bedford-Strohm (Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern), Gudrun Kopp (Parlamentarische Staatssekretärin), Veye Tatah (Chefredakteurin Africa Positive) und Peter Heller (Dokumentarfilmer, u.a. “Süßes Gift”) mit Jan Dieckmann über das Thema “Entwicklungshilfe abschaffen?”.
Ab Minute 15 werden interessante Fakten genannt, die die Frage aufwerfen: Ist Entwicklungshilfe ein Geschäft?
Wir schreiben das Jahr 2011:
- 133 Milliarden EUR fließen in Form von “Entwicklungshilfe” von Nord nach Süd
- 177 Milliarden EUR fließen in Form von Zinsen von Süd nach Nord
- 475 Milliarden EUR fließen in Form von Tilgung der Schulden von Süd nach Nord
- Schuldenstand im Süden: 4,7 Billionen EUR
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Danke für den link erstmal.
Also die Frau Kopp ist leider wieder mal ein Beispiel einer daherschwafelnden Politikerin, ich kenne die Dame nur als shopping Queen, als sie mit Dirk Niebel um die Welt gereist ist. Wohingegen die Frau Veye Tatah eine Bereicherung dieser Diskussionsrunde wahr. Danke Herr Heller für Ihren Film, und ich war überrascht über die Zahlen die Herr Bedford-Strohm genannt hat, bin aber trotzdem extrem misstrauisch wenn es um Kirchliche Hilfe geht.
Mann, diese Frau Kopp regt mich auf. Sie redet, wie ein Hochglanzprospekt glänzt. Alles was das BMZ macht, ist ja so unglaublich toll. Und überhaupt: Was soll das für eine “Entwicklungszusammenarbeit” sein unter einem FDP geführten Ministerium? Diese Neoliberalen interessieren sich einen Dreck für die Interessen von einfachen Menschen (ob hier oder in Afrika). Rendite, darum gehts. Das hat Niebel ja auch einmal ganz offen ausgesprochen.
Allerdings: Frau Veye Tatah blickt es auch nicht so ganz. Da engagiert sich eine Religionslehrerin bei genau dem, was Frau Veye Tatah eigentlich fordert, nämlich bei der “Erstarkung” der einheimischen Leute und Frau Veye Tatah reduziert es wieder auf die gönnerhafte Hilfe einer elitären Weißen für arme unselbstständige Schwarze.
Bedford-Strohm hat recht: Die Grundlage der Hilfe muss uneigennützige Mitmenschlichkeit sein, auf der auch Freundschaften gut gedeihen. Okay – wer oder was ist schon uneigennützig? Aber wenn der eigene Nutzen darin besteht, das mir warm wird ums Herz, wenn ich Freunden helfen kann, kanns nicht ganz falsch sein.
Seltsam… die Hauptprobleme der staatlichen EZ wurden in der Talk-Runde nur gestreift:
1 – Teils willig, teils notgedrungen arbeiten staatliche und nichtstaatliche EZ-Programme mit den Regierungen der Zielländer zusammen. Die Interessen dieser Regierungen und die der Regierten liegen aber oft meilenweit auseinander.
Staatliche EZ kooperiert meist mit Behörden des Ziellandes. Die westlichen Durchführungsorganisationen (wie z.B. GIZ) verstehen diese Behörden als Mittler, der sich idealerweise zu gleichen Teilen an den Projekten beteiligen sollte, um damit einer Zielgruppe zu helfen, z.B. einem Teil der Landbevölkerung ohne Zugang zu Bildung und frischem Wasser.
Dabei sehen sich die Partnerbehörden jedoch allzu oft als Empfänger – und aufgrund feudalistischer Machtstrukturen sind ihnen die armen Leute auf dem Lande herzlich egal.
In Eurem Beispiel – Sierra Leone – verdienen etliche Regierungsmitglieder und Leute aus dem Verwaltungsapparat ganz gut am land grabbing. Wenn aber dieses Thema von deutschen EZ-Vertretern während der Regierungsverhandlungen angesprochen wird, gibt es bei der Delegation Schulterzucken; und sollte einmal auf die Rückabwicklung unfairer Verträge gepocht werden, gibt es für diejenigen, die das machen, “Probleme” – derart, dass die Arbeit erschwert oder unmöglich gemacht wird oder – schlimmstenfalls – Tote zu beklagen sind. Einfachstes Beispiel ist das Nach Hause-Schicken unbequemer EZler trotz gültigem Visum beim Versuch der Wiedereinreise.
So ist es unter den EZlern im Ausland zur Bildung von Tabus gekommen – man weiß, dass Mr. X oder Familie Y hier ihre Pfründe hat und man die nicht in Frage stellen darf.
2 – Good Governance: Die Idee war, guter Regierungsführung im Zielland auf die Beine zu helfen, um Konflikte, wie ich sie in Punkt 1 beschrieben habe, durch Anti-Korruptionsmaßnahmen und Transparenz im Regierungshandeln gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Regierung des Gastlandes versteht darunter meist “mehr Effizienz” und sorgt dafür, dass die großen Felder der Korruption nicht angetastet werden. Die Verwaltung wiederum reaqgiert mit Obstruktion, weil für deren Angestellte ein gewisses Maß an Korruption angesichts ihrer winzigen Gehälter geradezu lebensnotwendig ist.
Um darüber hinweg zu kommen, wäre eine gegenseitige Verpflichtung des Geber- und des Ziellandes nötig: Die einen legten ihre Interessen offen und versprächen, keine Wirtschaftsförderung an den Interessen der Bevölkerung des Ziellandes vorbei zu betreiben (siehe Staudammbau, Hilfen für land-grabbende “Investoren”, Agrar- und sonstige Subventionen und Export-Erleichterungen durch EU und Geberland), die anderen legten ihre Pfründe und Einnahmequellen offen und versprächen, sich nicht durch entwicklungsschädigendes Verhalten zu bereichern. Dann müsste ein Steuer- und Zollsystem aufgebaut swerden, das der Regierung ein Budget beschert, aus dem die Verwaltung bezahlt und effizient gemacht wird. Bis das wirkt, muss das Geberland (oder die Geber-Gemeinschaft) einen entsprechenden Grant geben.
Es gibt noch ein anderes Problem mit der Good Governance, das sehr landesspezifisch ist und mal ein ernsthaftes Hindernis darstellt, mal nicht: Man stelle sich vor, eine Gruppe Verwaltungsfachleute und Ökonomen aus Kasachstan käme nach Berlin und schriebe ein Gutachten über die verfehlte Stadtentwicklung in Marzahn, gründete eine Projektgruppe der Marzahner (wegen der Partizipation) und führte dort ein dreijähriges Projekt durch, an dessen Ende eine wohlbegründete Agenda stünde: Wird die umgesetzt, so sponsert Kasachstan die Hälfte der Bau- und Entwicklungskosten. Wenn nicht, gibt es kein Öl mehr aus Kasachstan für Deutschland. – Eine Zumutung?? Klar, aber so verhalten sich viele Geber in Afrika.
3 – Die Wertschöpfungsketten: Wir hörten zuletzt von einem erfolgreichen Projekt zum Anbau von Bio-Baumwolle in Tanzania, das den Beteiligten tatsächlich eine Verbesserung ihres Lebensstandardes ermöglichte. Mir liegt es fern, das zu kritisieren! Allerdings wäre der Impakt vielleicht noch größer, wenn Tanzania Bio-Bettwäsche, Bio- Hemden und Bio-Blusen nach Europa exportierte, gefärbt mit Naturfarbstoffen und unter Zahlung von auskömmlichen Löhnen hergestellt.
Zum Thema gäbe es noch eine Menge zu sagen – die Fragestellung “EZ – ja oder nein” blendet jedoch das meiste und wichtigste aus. Immerhin kam einiges davon zur Sprache.
So lange die EU Export subventioniert, muss das Zielland seine Wirtschaft mit Zöllen dagegen schützen können. So lange es im Lande keine Ernährungssicherheit gibt, ist jedes Projekt, das den Export von Agrargütern fördert, aus dem Portefeuille zu werfen und stattdessen eins zur Subsistenz-Sicherung zu finanzieren. So lange eine Regierung feudalistische Machtstrukturen stützt, muss die Weiterarbeit mit diesem Land ernsthaft geprüft und notfalls auf “machtneutrale” oder empowerment – relevante Projekte beschränkt werden.
Ein ganz dickes Lob an die Macher der Nachdenkseiten und den aussengedanken! Ich bin eine frühere Studentin des Fachbereichs Philosophie, die jetzt gegen den Einfluss der Philo-Lehrstühle auf die Politik versucht hat, zu klagen. Die Uni Köln und Bonn und noch andere haben Dissertationen und Forschungen zur Metaphysik und historischen Lage durchgeführt und die Studenten ‘mental’ in diese Auseinandersetzungen mit einbezogen, ohne dass die zunächst davon wussten. Die Neurophysiologie hat mittlerweile stichhaltige Beweise für Telepathie und die Profs. haben die Sachen ausprobiert. Die aktuelle politische Diskussion ist keine philosophisch – neutrale, sondern eine theologische, d.h. wie letztens der Papst m Parlament sass und demonstrierte: es läuft alles nach seinem Gutdünken! Leute spielen Gott! Die Auseinandersetzung ist ziemlich heftig. Ich habe leider kein Geld, um euch zu unterstützen. Weiter so!