Sie treiben in Pirogen im Atlantik, ertrinken vor Lampedusa, werden vor Ceuta von EU-Grenzschützern abgeschossen und schaffen es manchmal sogar in die gelobten Länder des Nordens, wo sie entweder als illegale Billigarbeiter ausgebeutet oder gleich wieder abgeschoben werden – die Rede ist von schwarzafrikanischen Flüchtlingen, die hierzulande meist despektierlich als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet werden. Obgleich die öffentliche Debatte über schwarzafrikanische Flüchtlinge geradezu hysterisch geführt wird, wird außer oberflächlichen Halbwahrheiten nur sehr wenig über die Gründe des Massenexodus geschrieben und gesendet. Liegt das daran, dass die Gründe äußert komplex sind? Oder daran, dass „wir“, also der globale Norden, einen gehörigen Teil Mitverantwortung für die hoffnungslose Situation tragen? Von Jens Berger
Zunächst: Respekt. “Das” afrikanische Dilemma ist im Artikel gut beschrieben. Weitere Einzel-Dilemmata kommen dazu, z.B. die Ausbeutung durch global agierende Rohstoffkonzerne. Dass AussenGedanken dies nicht auch noch im selben Artikel analysieren kann, ist verständlich.
Der Schutz der Existenz afrikanischer Hersteller und deren Angestellter muss zeitweise von weltweiten Organisationen und internationalen Staatenbünden vorgenommen werden, denn durch die beschriebene Korruption und die Erpressbarkeit, die dadurch gegeben ist, dass Direktinvestitionen im Rohstoffsektor schnell beendet werden können, sind viele Bevölkerungen nicht mehr in der Lage, ihre Interessen selber zu schützen. Sie können nicht einfach die Grenzen dichtmachen zum Schutz vor europäischen Importen oder zu billigen Rohstoffexporten in die entwickelte Welt. Vielleicht werden das dereinst ihre künftigen “Regierungen” doch tun; nämlich dann, wenn sie von Menschenschlächtern wie “Boko Haram” gestellt werden. Die könnten irgendwann auf den Trichter kommen, dass Rohstoffexporte ihrerseits gut zur Erpressung taugen, wenn einem die Ernährung der Landsleute egal ist – sofern jene noch laufen können, müssen sie dann wiederum nach Norden fliehen.
Damit es nicht so weit kommt, muss in der Tat in Afrika ein hochpreisiger sekundärer Sektor etabliert werden und wachsen können, und zwar geschützt durch internationale Abkommen. Viele Leute sind sehr geschickt und können durch ihre Arbeit Dinge in Handarbeit herstellen, die auch auf Exporktmärkten gute Preise erzielen können. Dass Afrika – wie Bangla Desh oder Vietnam – auf die Billigstproduktion von Massenwaren setzt und in großem Stil “maquilas” etabliert (z. B. in Äthiopien gerade zu beobachten) halte ich für gefährlich, weil einmündend in den nächsten Unterbietungswettbewerb.
Was die Erzeugung von Nahrungsmitteln und einfachen Dingen des täglichen Bedarfs angeht: Afrika könnte autark sein. Dies durchzusetzen, wäre Sache eines Vertragswerks, das z.B. “TTIP” genau entgegengerichtet sein müsste; ein “PITT” (Protection of Internal Terms of Trade). Wenn sich Länder Afrikas in der Lage sehen, mit eigenen Produkten des sekundären und tertiären Sektors im Welthandel zu konkurrieren, können sie selber entscheiden, aus dem Abkommen wieder auszuscheren – am besten durch Volksentscheid.